Dienstag, 31. August 2010

Gewöhnungsbedürftig

Ein Kanonenschlag lässt mich gegen fünf Uhr morgens aufschrecken. Es braucht ein bisschen, bis ich weiss, wo ich bin - und was passiert sein könnte. Der laute Knall, der auf den ersten Blick in einer Stadt wie Jerusalem etwas bedrohliches hat, ist das Zeichen, dass der nächste Tag des Ramadan-Fastens begonnen hat. Jeweils nach Sonnenuntergang und vor dem Morgengrauen signalisieren die Kanoniere, wann wieder - oder eben nicht mehr - gegessen werden darf. Die Kanone steht auf dem islamischen Friedhof in der Salah-ed-Din-Strasse. Den ersten "Ramadan-Schuss" gibt übrigens traditionell der Bürgermeister von Jerusalem ab, von 2003 bis 2008 war dies der Ultraorthodoxe Uri Lupolianski.

Montag, 30. August 2010

Feuer(wehr)taufe

Was für ein Empfang! Als erste Passagierin im ersten Tel Aviv-Flug von Easyjet. In Tel Aviv gelandet, empfängt uns das Feuerwehrkommando des Flughafens mit einer ordentlichen Dusche - Taufe für den "Jungfernflug".

Montag, 9. August 2010

Auch am Shabbat

In einer orthodoxen Nachbarschaft hat ein Vater seine drei Kinder erstochen. Die Nachbarn zögerten, die Polizei zu rufen. Ihr Problem: Darf man das am Shabbat? Man darf. Man muss sogar. Das zumindest haben ein paar Tage später die Rabbiner der Tzohar Organisation klargestellt. Das Leben des Nächsten steht über dem Shabbat. Biblisch ausgedrückt: "Du sollst dich nicht hinstellen und das Leben deines Nächsten fordern".
Was mag in einem Menschen vorgehen, der angesichts eines um sein Leben schreienden Kindes nachrechnet, wie viel Schritte er an diesem geheiligten Tag noch gehen darf? Oder, um zuerst vor der eigenen Haustür zu kehren, was in einem Bischof, der Exkommunikationen ausspricht für eine Abtreibung an einer Neunjährigen, die durch den eigenen Stiefvater geschwängert wurde? Anders gefragt: Wo endet die Religion und wo beginnt die Obsession?
Sollten nicht Religion und religiöse Vorschriften dem Menschen und seinem Wohl dienen? Der Shabbat ist für den Menschen da. Nicht umgekehrt.

Freitag, 6. August 2010

Die männliche Studentin

Manchmal ärgere ich mich, wenn ich Post bekomme, die an Herrn Andrea K. adressiert ist. Dabei ...
Meine Wohnung in Jerusalem werde ich in den ersten drei Wochen mit I. teilen. I. sei Srilankesin und komme als Studentin für ein halbes Jahr nach Jerusalem, erfuhr ich von meinen Vermietern. Und sie koche gern, wenn ich also die Küche ihrer Heimat kennenlernen wolle, sei ich herzlich eingeladen.
Beim skypen entpuppte sich I. als junger Mann. Das mit dem Studium stimmte, Sri Lanka auch, nur kochen könne er nicht, sagte er. Bei genauerem Überlegen zeigte sich, dass einzig sein Name uns dazu verleitet hatte, den angehenden Theologen zu einem weiblichen Wesen zu machen. Andre Länder, andre Namen. Und die srilankesische Küche darf ich trotzdem kennenlernen. Seine Schwester komme nämlich zu Besuch. Und die, sagt er, kann auch kochen!

Montag, 2. August 2010

Insel Israel

"Israel ist zur Insel geworden! Die Juden, die vor der Gründung Israels hier in der Region lebten, waren Teil der islamischen Gesellschaft, und jene in Europa gehörten der christlichen Welt an – dann liessen wir alle unser Leben hinter uns, doch wir sind nicht in der neuen Welt angekommen: Wir bauen rund um uns Mauern und Zäune, und wir versuchen nicht ernsthaft, die Konflikte mit unseren Nachbarn zu lösen. Wir vertrauen weder der alten noch der neuen Welt."
Der ehemalige israelische Spitzenpolitiker und heutige Buchautor Avraham Burg im WoZ-Interview "Wir sehen überall Nazis" über das Trauma der Israelis.