Donnerstag, 4. November 2010

Kreuzverhör


Meine Arabisch-Vokabelkarten scheinen ein Kontaktmittel par excellence zu sein – zumindest in israelischen Stadtbussen. Diesmal sind es zwei junge Jüdinnen, die sich zuerst (auf Hebräisch) über mich unterhalten und mich dann, auf Englisch diesmal, buchstäblich ins Kreuzverhör nehmen. Warum ich Arabisch lerne, will eine wissen. Ob sie denn kein Arabisch in der Schule lernten – meine Gegenfrage sorgt für einen entsetzten Gesichtsausdruck bei der einen, für einen eher belustigten bei der anderen. Englisch und Hebräisch, das reicht doch wohl.
Zur Sache geht es bei der zweiten Frage: "Was hältst Du von den Juden hier?" Dass ich nicht pauschal über "die" Juden sprechen will, genauso wenig wie über "die" Christen oder "die" Muslime, können sie nicht verstehen. Sicher wisse ich nichts über das Judentum. Der Reihe nach fragen sich mich verschiedene jüdische Feste ab und wollen wissen, ob ich denn auch die Thora studiert habe. Dass die Schriften der Thora auch zur christlichen Bibel gehören, scheint die beiden zu erstaunen – dass Christen die Existenz des Tempels nicht leugnen, noch mehr. Dass ich keine Jüdin sei, sehe man ja, aber ob ich denn an Gott glaube und wie religiös ich sei – die Fragen sind nicht gerade zögerlich! Ein ähnliches Gespräch zwischen Wildfremden im Zürcher Tram wäre wohl undenkbar.
Ich antworte und drehe den Spiess um: Ob sie denn an Gott glauben und religiös sind, gebe ich die Frage zurück. Beide antworten schnell und dezidiert. Aber offenbar habe ich mit meiner Gegenfrage eine mir nicht erkenntliche Grenze überschritten. Grusslos stehen die jungen Frauen auf und gehen in den hinteren Teil des Busses.

(beide Bilder: alte Werbung der Egged-Buslinien; www.egged.co.il)

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