Sonntag, 10. April 2011

Unfreiwillig missionarisch

Wie ein Hündchen trottet der junge Amerikaner neben uns her. "Ob wir auch nach Bethlehem wollen und er sich uns anschliessen könne", hatte er uns kurz hinter dem Checkpoint gefragt. Ungewohnt, aber warum nicht. Während wir entlang der Sperrmauer laufen, fragt er uns Löcher in den Bauch: Woher wir kommen, was wir machen und wieso. Woher er denn komme, drehen wir den Spiess um. "Birthright Israel", grinst er, und erntet unser Erstaunen. Seit zehn Jahren hat sich die Organisation auf die Fahnen geschrieben, durch kostenlose Israel-Reisen eine Verbindung zwischen jungen Juden und Israel herzustellen, um ihre jüdische Identität zu stärken. Dass dabei immer wieder (jüdische) Partner fürs Leben gefunden oder junge Militärs geworben werden, ist durchaus erwünscht.
Besuche in Bethlehem oder anderen Westbank-Orten – für israelische Staatsbürger verboten – gehören nicht zum Programm, aber das scheint den jungen Amerikaner nicht im Mindesten zu stören. Nicht alle bei Birthright, grinst er weiter, seien streng religiös. Und offenbar auch nicht politisch auf der offiziellen Linie. Zu welcher Gruppe er gehört, wird beim gemeinsamen Marsch durch Bethlehem recht schnell deutlich. Es sei ja ganz nett, das gelobte Land zu besuchen, aber hier zu leben? Gar einen Teil des kurzen Lebens dem israelischen Militär zu schenken? "Nein danke."
Wir würden jetzt die Geburtskirche besuchen, versuchen wir unser Anhängsel in der Bethlehemer Innenstadt wieder loszuwerden. Das mache nichts, seine Mutter sei Katholikin und er damit strenggenommen auch kein richtiger Jude, entgegnet er, und weicht weiterhin nicht von unsrer Seite. Ein Gebet in der Katharinenkirche, eine Tour durch die verschiedenen Grotten: Unerschütterlich begleitet er uns. Fast eine Stunde stehen wir an, um in die Geburtsgrotte hinabsteigen zu dürfen, und neben uns wartet diszipliniert der Amerikaner. Auf den ersten Stufen abwärts, nur noch wenige Warteminuten von einem der heiligsten Orte der Christenheit, schaut er in unsere Runde: "Wohin gehen wir eigentlich hier?" Das, erklären wir, ist der Ort, den Christen weltweit als Geburtsort Jesu verehren. "Jesus?? Ich glaube, ich hab schon mal von ihm gehört!"

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