Montag, 30. Dezember 2013

The messiah is here

"Just like the Son of God who looks out from the painting on the wall of his home in Nazareth, who carried the cross on his back, the same is true of priest Gabriel Nadaf, who carried the heavy burden on his back - to lead the Christians in Israel to enlist in the Israel Defense Forces. The messiah is here, my friends, a messiah with a Negev machine gun."
Gilad Sharon, Sohn des früheren israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon, gegenüber der hebräischsprachigen Zeitung Yedioth Ahronoth zum Thema Christen und Armee (zitiert nach Haaretz, 30. Dezember)

Samstag, 28. Dezember 2013

Laute stille Nacht und die Nudeln von Abbas




Laut und bunt war sie wieder einmal, die "heilige Nacht" in Bethlehem. Pfadfinder mit Dudelsack und Trommeln im akkustischen Wettstreit mit den Lautsprecherboxen der Souvenirshops, ein kurzer Moment der Anspannung, als die feiernden Massen gegen die Menschenkette aus Polizisten drängt, ein kleiner Schreck, als in dem Gedränge ein Mitfeiernder mit Herzanfall zu Boden stürzt. Und dann gab es ihn doch, den unerwarteten Moment völliger Stille und Andacht inmitten des Trubels, das Geschenk, hinter schon verschlossenen Kirchentüren (fast) allein in der Geburtsgrotte zugegen sein zu dürfen, als die letzten Vorbereitungen für die nächtlichen Prozessionen abgeschlossen werden.


Ein kurzer Moment nur, bevor wegen der Sicherheitsmassnahmen für Ehrengast Abbas die Internetsignale während dreieinhalb Stunden nicht mehr funktionieren, bevor die Security das unüberwindliche Hindernis zwischen uns und dem Abendessen darstellt. Bevor die Kälte und die Müdigkeit wirklich mühsam werden und zu guter Letzt der Strom ausfällt. Ein weiterer Moment, als hoher Besuch im quasi abgeriegelten Büro vorbeischaut, um uns für unsere Arbeit zu danken. Als dann schliesslich doch eine Kollegin mit Abendessen ("die Nudeln von Abbas") den Weg durch alle Absperrungen ins improvisierte Medienzentrum schafft. Als nach aller Anspannung des Tages gegen Mitternacht das Gloria erklingt:

الـمَجدُ للهِ في العُلى
وعلى الأرضِ السلام
وبالناسِ المسرة






Donnerstag, 19. Dezember 2013

Relativ

Zugegeben. Nach der ersten freudigen Aufregung über Schnee und einem gewissen Amusement über das daraus resultierende Chaos hat der Wintereinbruch vor allem unangenehme Folgen. Im Kühlschrank fühlt es sich wärmer an als in der Wohnung (nur das selbiger zu klein ist um darin zu überwintern), der langsam (!) schmelzende Schnee tropft an der ein oder anderen Stelle von der Decke in die Wohnung und zweitweise gabs nicht mal mehr Brot und Milch im Supermarkt (wie auch, wenn die Strassen gesperrt sind). Das Heisswasser tröpfelt in so geringen Mengen, dass es kalt ist, bevor es am Körper ankommt und die Gasflasche ist natürlich gerade jetzt leer. Und trotzdem zeigt das nur, wie glücklich verwöhnt wir an den meisten anderen Tagen sind. Und es gibt einen hauchdünnen Einblick in das, was Hunderttausende Flüchtlinge in der Region gerade durchmachen. Ohne die vier Bettdecken und die Möglichkeit, sich im nächstgelegenen Café von Zeit zu Zeit etwas aufzuwärmen.
Eine Weihnachtskrippe hat die syrischen Flüchtlinge zum Thema (©TBM)

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Freitag, 6. Dezember 2013

Mit der Lupe

"The first, most prominent thing that connects the Vatican with Israel is that they are two of those political entities that you need a magnifying glass to locate on the globe. In parallel, both suffer from the same problem of having a self-image inflated far beyond its true size. Or, to put a finer point on it, both presume to supposedly embrace the entire world with love, and to insist on deciding what’s good for it and what isn’t."
Benni Ziffer im Kommentar "Israel and the Vatican, two empires of kitch", über Ähnlichkeiten den beiden Staaten (Haaretz, 6. Dezember)

Grad mal 120 Jahre her ...


Donnerstag, 5. Dezember 2013

Es regnet, Gott segnet ...


Da muss jemand einen echt guten Draht haben nach oben. Kaum haben sich Israels Oberrabbiner und Oberkatholiken vereint im Aufruf an ihre jeweiligen Schäfchen, zum ersten Advent (respektive Chanukka) besonders um Regen zu beten, öffnet der Himmel alle Schleusen. Vom Gewitter über Nebel, Regenbogen und überflutete Strassen war heute alles dabei, was sonst in diesem Landstrich eher selten ist. Anbetracht des laut israelischem Wetterdienst bisher trockensten und wärmsten Winters seit mindestens 55 Jahren dürfte es auch egal sein, welche der Denominationen nun auf die offenen Ohren seines Herrgotts stiess - Hauptsache der nasse Segen strömt noch ein bisschen weiter... (eine weniger glorreiche Idee ist es freilich, an einem Tag wie diesem Bewässerungssysteme besichtigen zu gehen ...)

Licht statt Terror



Sie nennen sich "Tag Meir" - "Schild des Lichts". Ein Wortspiel gegen "Tag Mehir" - "Preisschild", jener terroristischen Gruppe jüdischer Extremisten, denen in den vergangenen zwei Jahren immer wieder Moscheen, christliche heilige Stätten, jüdisch-arabische Begegnungsstätten zum Opfer fielen. Licht statt Terror, so der einfache Slogan, unter dem "Tag Meir" zusammen mit anderen zum letzten Chanukka-Abend eingeladen haben. Ein leuchtendes Beispiel in dunkelsten Zeiten wollen sie setzen. 
Die Eskalation der Gewalt gegen alles, was "anders" ist, ist erschreckend. Erst waren es Grafitti, dann zerstochene Autoreifen und zerschlagene Grabsteine. Eine hebräischsprachige Zeitung macht in einem suggestiven Artikel die Christen selbst für das Geschehene verantwortlich. Inzwischen hat die Stufe der Gewalt ein ganz anderes Niveau erreicht. Zwei Menschen wurden angegriffen. Ein Jude, ein Araber. Noch erschreckender als das Level an Gewaltbereitschaft einiger weniger im Namen ihres Gottes ist für mich jedoch die Ignoranz der breiten Masse. Oder, um einen Freund in seiner Reaktion auf besagten Zeitungsartikel zu zitieren: "Sieht doch so aus, als hätte die Polizei die Sache im Griff!" Genau deshalb liegt der Araber auch immer noch mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus. Und genau deshalb ist es gut, dass wenigstens ein paar "Licht ins Dunkel" bringen wollen.

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Richtwerte

Mit Zahlen hat man's nicht so in Palästina (und Frau, also Bürgermeisterin oder Tourismusministerin, auch nicht). Wieviele Christen es eigentlich gibt in Bethlehem? Reitet doch nicht immer auf den Zahlen rum, lautet die Antwort. Wir sind wenige, aber wir sind keine Nummer. Bei der Zahl der palästinensischen Guides, die eine Einreisegenehmigung für Jerusalem haben, schwanken die Angaben um plus minus fünf - bei insgesamt unter 50 immerhin ein Unterschied von zehn Prozent. Für Gazas Christen will man am vergangenen Weihnachten 5.000 Ausreisegenehmigungen beantragt haben. Bei insgesamt verbliebenen 1.200 Christen wollte man da wohl auf Nummer sicher gehen. Wieviele Besucher für die bevorstehenden Weihnachtsfeierlichkeiten in Jesu Geburtsstadt erwartet werden finde sie eine gute Frage, meint deren Bürgermeisterin. Die habe sie sich (und anderen) auch schon gestellt.
Immerhin. Die Tendenzen der durchschnittlichen Antworten scheinen zu stimmen. Die Zahl der Touristen steigt, die Zahl der Christen nimmt prozentual zur Gesamtbevölkerung ab und Gazas Christen kriegen schwerlich einen Ausreisegenehmigung. Nicht mal zu Weihnachten. Und wie hoch der Weihnachtsbaum nun tatsächlich ist, ist ja auch eigentlich nicht so wichtig. Die Preisfrage wäre wohl eher, wieviele Kugeln an ihm hängen...

Und so wird er geschmückt ...


Mittwoch, 27. November 2013

Nottäufer

"I am not sure I can do it" - der Gesichtsausdruck der jungen Amerikanerin südostasiatischer Abstammung ist alles andere als entspannt. Etwa hüfttief steht sie, angefeuert von ihrer Begleitgruppe evangelikaler Prägung, im entsprechend der Jahreszeit schon etwas kühlen Wasser des Jordan, ein weisses Hemdchen über dem Bikini." Come on, Jesus did it, so YOU can do it", klingt es vom trockenen Ufer. "Wasn't he a fisherman?", die immer noch zögernde Stimme aus dem Wasser. Ein paar Schritte wagt sie sich tiefer in die braune Brühe, dann ist Schluss. "Das ist mein Limit!" Sie müsse dreimal untertauchen, mahnt es vom Ufer, ob nicht auch dreimal das Gesicht eintauchen reichen könnte, erwidert es inzwischen leicht verzweifelt aus dem Wasser. Schliesslich hat mein Begleiter Erbarmen mit der fröstelnden Taufwilligen. Das dreimalige Übergiessen mit Wasser sei ausreichend, klärt er auf und gibt sich als katholischer Priester zu erkennen. Erleichterung im Wasser und am Ufer. Wenn er Priester sei, dann könne er doch vielleicht auch gleich taufen. Gefragt, getan. Ein Erinnerungsfoto vom Zufallspaar und wir reisen weiter zum benachbarten griechisch-orthodoxen Kloster. Dort versammelt sich grad eine bunte eriträische Hochzeitgesellschaft. Die hat aber ihren eigenen Priester dabei und kommt ohne unsere Hilfe aus.



Donnerstag, 21. November 2013

Jesus

"Did you order Jesus?" Mein irritiertes Erstaunen spiegelt sich im Blick meines Begleiters, und unser langes Zögern mit der Antwort lässt den jungen Kellner seine Frage ungeniert wiederholen. "Did you order Jesus?" Ein zaghaftes Nein, gefolgt auf seine leicht abgeänderte Frage, ob wir denn vielleicht jetzt "Jesus" ordern wollen. Und so langsam dämmert es uns. Zum Rotwein auf dem Tisch würde in der Tat eine Käseplatte gut passen. Aber wir haben schon gegessen. "No thanks, no cheeses!"

Mittwoch, 20. November 2013

Vor allem bescheuert

"The Jews have proved once again that they are the most pious Christians on earth. The hospitalization services they offered voluntarily to the granddaughter of one of their greatest enemies puts them at a level of papal righteousness. Grandpa Ismail Haniyeh plans a great Palestine from the sea to the river, a Palestine free of Jews – but the Jews themselves refuse to be petty and are attending to his little offspring, Amal. Someone in the Health Ministry or in perhaps the Foreign Ministry may have seen this as a golden opportunity to expose our beautiful face to the world: Look how good we are. Well, we're neither good nor beautiful; we're mostly stupid."
Hagai Segal in einem Kommentar für die Internetzeitung "Ynet-News" (20. November) zur Tatsache, dass Hamas-Premierminister Ismail Haniyeh seine schwer erkrankte einjährige Enkelin in einem Krankenhaus des "Erzfeinds Israel" behandeln liess

Most recover

Aus einer Liste der Internetzeitung "Ynet-News" der wichtigsten Dinge, die ein potentieller Besucher wissen sollte, bevor er sich auf das Wagnis Jerusalem einlässt. Besonders tröstlich finde ich den letzten Satz:
"Jerusalem has its own syndrome. For some, the city can be too much. Around 100 tourists each year succumb to Jerusalem Syndrome, a psychiatric condition linked to the city's atmosphere of intensity. Sufferers typically show signs of prolonged agitation and religious fervor, spending days – often dressed in white robes (typically a hotel bed sheet) – declaiming religious verses or preaching public sermons on moral purity.
Most recover."

Dienstag, 19. November 2013

deadlock

"I call on him from here: let's break the deadlock. Come to the Israeli Knesset and I'll come to Ramallah."
Israels Premier Benjamin Netanjahu lud Palästinenserchef Abbas Montag kurzerhand zum Besuch ein. Vielleicht wäre die Lösung ja wirklich so einfach ...

Donnerstag, 24. Oktober 2013

Bibellesen hilft

Es ist kurz vor eins, als ich die Botschaft betrete. Laut Internetauskunft ist sie bis drei geöffnet. Nicht so die Konsularabteilung, wie ich kurze Zeit später am Schalter erfahre. Die schliesst um eins, und in zehn Minuten könne man mir beim besten Willen kein Visum ausstellen. Alles Bitten und Betteln und selbst der Augenaufschlag bleiben erfolglos. Es folgen lange Erklärungen zum Computersystem, das nur innerhalb des entsprechenden Zeitfensters offen ist. Ich dürfe meinen Pass aber gern da lassen und den Antrag ausfüllen, dann könne ich das Visum am Sonntag abholen. Zähneknirschend mache ich, was man mir sagt und überreiche Pass und Formular.
Was genau arbeitest Du? will mein Gegenüber hinter der Glasscheibe beim Blick auf das Papier wissen. Journalistin? Katholisch? Liest Du auch in der Bibel? "Darf ich Dir ne Frage stellen?" Ich nicke. Of course. "Ok. Wenn du das weisst, dann kriegst Du Dein Visum noch heute: Wann hat Jesus zum ersten Mal gesprochen, in welchem Alter?" Offenbar lasse ich mir nicht allzu sehr anmerken, wie perplex ich ob dieser Frage bin. "Mit seinen Eltern im Tempel!" (Die Feinheiten der verschiedenen Traditionen spare ich mir). Mein Gegenüber strahlt. Zwei Minuten später hab ich mein Visum. Und die Email-Adresse des neugierigen Fragers: "Schick mir doch mal, was Du so schreibst!"

Mittwoch, 23. Oktober 2013

Warum? Darum!

Was für Gefühle hinterlässt der Besuch von Hebron/Al Khalil bei mir? Macht es mich wütend? Traurig? Hoffnungslos? Sarkastisch? Sicher ist: Es gibt kaum einen zweiten Ort, an dem der palästinensisch-israelische Konflikt, an dem das Dilemma dieses Landes sicht- und spürbarer würden als in der zweigeteilten Stadt, in ihrem alten Kern einer Geisterstadt gleich, mit No-Go-Zonen für den Mehrheitsteil ihrer Bevölkerung.

Wir laufen durch die Strassen von H2 (israelisch kontrolliert) in Richtung H1 (palästinensisch kontrolliert). Kurz vor den Patriarchengräbern, je nach Religionszugehörigkeit als Ibrahimi-Moschee oder Machpela verehrt, versperrt ein grosser Kranwagen den Weg. Eine Reihe von israelischen Soldaten sind dabei, an einer der zahlreichen Absperrungen Verbesserungen vorzunehmen. Mangel an Betonblöcken und Metallbarrieren herrscht jedenfalls nicht in der Stadt, dessen Name sich in beiden Landessprachen vom jeweiligen Wort für "Freund" ableitet.
Wir treffen auf Hatem. Hatems Familie lebt im ersten Stock eines dreistöckigen Hauses nahe der Patriarchengräber. Um Stockwerke Zwei und Drei ist seit 2012 ein erbitterter Kampf zwischen israelischen Siedlern und der palästinensischen Grossfamilie ausgebrochen. Die Siedler geben an, die Etagen legal von einem der zahlreichen durch Erbschaft mitbesitzenden Familienangehörigen erworben zu haben. Die Familie verneint die Rechtmässigkeit des Geschäfts. Solange der Fall nicht endgültig entschieden ist, sind die Zweidrittel des Gebäudes für beide Seiten tabu. Ein Fall, wie wir ihn an diesem Tag wiederholt sehen werden. Und während Hatem und ein entfernter Verwandter uns ihre Version der Geschichte erzählen, kommt ein israelischer Polizeiwagen. Zwei Polizisten nehmen unsere Gruppe unter die Lupe, greifen aber nicht ein.
Bezahlt. Gekauft. Gehört uns - Die Botschaft der israelischen Siedler an ihre palästinensischen Nachbarn könnte klarer nicht sein!

Wir besuchen als nächstes die Schule in unmittelbarer Nachbarschaft des umstrittenen Hauses. Viele der 253 palästinensischen Mädchen müssen über zwei oder mehr Kontrollpunkte, um ihre Schule zu erreichen. An jüdischen Feiertagen, sagen die Lehrerinnen, muss der Unterricht schon mal ausfallen, weil die laute Musik das Unterrichten unmöglich macht. Oder Barrikaden das Schulgebäude versperren. Wir gehen weiter. Bis plötzlich eine Reihe israelische Soldaten uns den Weg versperren und uns unmissverständlich wie unfreundlich des Platzes verweisen. Eine schriftliche Anordnung für die Wegweisung können oder wollen sie uns nicht vorlegen. Unser "Warum?" erntet ein simples "Darum!" Ein israelischer Minister sei auf dem Weg zu seinem Ortsbesuch, erfahren wir dann später.
Ein drittes Mal stoppen uns Sicherheitskräfte an der Passage von H2 nach H1. Die Beobachter des ökumenischen Begleitprogramms "EAPPI" werden - diesmal sehr freundlich - von einem jungen Soldaten aufgefordert, ihre Westen auszuziehen, bevor sie den Korridor ins palästinensische Stadtgebiet betreten. Er beantwortet höflich alle Fragen, und auch wenn auch er kein Dokument vorlegen kann, dass das Westenverbot im Korridor begründete oder auch nur belegen könnte, meine ich, eine Spur von Bedauern in seiner Kommunikation zu spüren. Am Ende doch etwas Menschliches in diesem verhärteten Spiel?

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Judaskuss

(Wandmalerei in einer Kirche in Gotland, Bildautor unbekannt)
"I have a serious and difficult question for you!" Noch bevor ich beide Füsse in seinem Laden habe, überfällt mich Daniel. "Why do we need Judas in Jesus' Story?"  Diese Frage hatte ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie so gestellt, und war auch einigermassen erstaunt, sie ausgerechnet aus russisch-israelischem Mund zu hören. Es braucht halt einen Schuldigen, damit die anderen sich ihre Hände in Unschuld waschen können, hole ich aus. "Vom literarischen Standpunkt ist er wichtig für die Geschichte - geschenkt!", fällt Daniel mir ins Wort. "Aber historisch? Mal ehrlich: brauchten die Römer jemanden, der ihn verriet?" Historisch gesehen wissen wir wenig über Judas. Aber ja, Jesus zog im Triumphzug in Jerusalem ein. Er hielt sich an öffentlichen Plätzen auf und wehrte sich nicht einmal bei seiner Verhaftung. Jerusalem war in dieser Zeit ein Dorf - schwer zu glauben, dass die Autoritäten da wirklich den "hint" brauchten, um Jesus auffinden zu können... "Hm. Ich glaube, ich muss diese Frage mal dem syrisch-orthodoxen Patriarchen stellen. Dessen rechte Hand ist in meiner Nachbarschaft aufgewachsen. Oder darf der dazu gar nichts sagen?"

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Aufgeschnappt

Es ist einer dieser typischen Souvenir-Läden, nicht gerade gross, dafür umso vollgestopfter mit Kreuzen, Heiliger Erde und Ölen und allerlei weiterer Devotionalien, die Pilgerherzen höher schlagen lassen. Die meisten jedenfalls.
"Mami, gibts Du mir Geld? Ich will das da kaufen!" "Das da" ist im Fall des kleinen jüdisch-israelischen Dreikäsehochs am Arm seiner Mutter ein handtellergrosses Kreuz aus Olivenholz, bestückt mit einem metallenen Jesus. Kurze Stille der Mutter, ein Blick zum Kindsvater, ein dezidiertes "Wir kaufen hier gar nichts", und das Trio verlässt den verführerischen Ort in Richtung Kirche.

Dienstag, 15. Oktober 2013

Relativ

"Only three popes have traveled to Israel since the establishment of the country", kommentiert "Jerusalem Post" Papst Franziskus' Besuchspläne im Heiligen Land. Oder, anders formuliert, die Hälfte aller Amtsvorgänger des aktuellen Papstes. Derer waren es sechs seit Staatsgründung Israels 1948, einer von ihnen war ganze 33 Tage im Amt. Und dieser war auch der einzige der sechs, der nie einen Fuss ins Heilige Land gesetzt hat. Die anderen kamen, wenn nicht als Papst, so doch als Pilger.

Fundstück

Montag, 7. Oktober 2013

Proud of it

"I admit that I am closer in spirit to the Council of Europe than I am to the Council of Torah Sages and those who swing chickens over their heads. And I'm proud of it."
Der israelische Journalist Yigal Sarna kommentiert die Resolution des Europarates gegen rituelle Beschneidung von Kindern und die israelischen Proteste dagegen (Ynet-News, 7. Oktober)

Mittwoch, 2. Oktober 2013

Die Sache mit der Zeit

Morgen ist Nationalfeiertag. Deutscher, um genau zu sein, weshalb nicht nur der Botschafter in Tel Aviv, sondern auch das Vertretungsbüro in Ramallah die Freundlichkeit haben, uns Auslandsdeutsche zum Feiern einzuladen. Die Einladung aus Ramallah kam mit einem Warnhinweis versehen. Nein, nicht die Sicherheitslage... Die Feier, liest es sich, beginne *13.00 UHR PSE-Winterzeit*. Eine wichtige Präzisierung. Weil nämlich die Gedächtnisübung beim Zeitumstellen (eine Stunde vor? eine Stunde zurück?) noch nicht Überforderung genug ist, ticken die Uhren in Israel und Palästina regelmässig im Herbst verschieden - und das noch in jedem Jahr anders.
In Israel wird in diesem Jahr erstmals erst Ende Oktober die Uhr zurückgestellt, ganz so also, wie wir es aus europäischen Breitengraden gewohnt sind. In der Westbank hingegen gilt in diesem Jahr schon seit 26. September Winterzeit (ok, es hat ja auch schon geregnet). Immerhin, zumindest Gaza und Ramallah sind sich in diesem Jahr einig. Noch im letzten Jahr gab es drei Zeitumstellungen auf engstem Raum - Gaza führte mit dem Ramadan auch gleich den Winter ein.
Völlig gleichgültig ist die Frage übrigens in der Grabes- und der Geburtskirche: Da herrscht sommers wie winters Winter(Zeit).

Freitag, 20. September 2013

Gefühlte Zeit

Getroffen haben wir uns zuerst in der Lounge eines Flughafens. Eine Verkettung von Umständen. Verschobene Flugzeiten. Geänderte Reisepläne. Ausgebuchte Flüge. So fanden wir uns später in der selben ersten Reihe des selben Fliegers wieder. Ein paar gewechselte Worte. Festgestellt, dass ich gerade dort war, wo er ursprünglich herkommt. Wir eine Reihe gemeinsamer Bekannter haben. Und gemeinsame Interessen. Für einmal hätte die Flugzeit nicht lang genug sein können, und prompt war sie kürzer als üblich.

Donnerstag, 19. September 2013

Missionslos glücklich

 Sukkot-Abendessen mit einheimischen Freunden. An meiner Seite ein deutscher Freund. "WAS? Du bist nicht Aktivist? Du hast keine Mission? Du bist aus Deutschland, aber hast kein Programm? Willst nicht den Frieden nach Nahost bringen? Das ist schön!!!"

Sonntag, 15. September 2013

Wenn Mönche geweiht werden ... dann bleibt schon mal die Kirche geschlossen. Macht ja nix, sind ja alle wichtigen Leute drinnen. Und der Heilge Geist weht eh, wo er will ...

Donnerstag, 12. September 2013

Begegnung

Biographie à la Jerusalem: "Na klar bin ich arabischer Jude. Und Zionist! Orthodox. Aber nicht religiös." Geboren in Frankreich als Kind eines marokkanisch-libanesisch-jüdischen Paars, verheiratet mit einer spanisch-yemenitischen Jüdin. Spricht arabisch, aber "nur Fusha", und kann es nicht lesen. "2002 war ich in Bethlehem im Krieg. Aber nur zehn Tage, und wir persönlich haben nicht so viel Schaden angerichtet."

Sonntag, 11. August 2013

Kopfkino

Muss man sich für den Film schämen, der im eigenen Kopf abläuft?
Lange habe ich gezögert, als mich ein arabischer Freund zu einer Hochzeitsparty im Norden einlud. Nicht nur, dass arabische Parties mitunter viel zu laut für meinen Geschmack sind und ich befürchten musste, ausser ihm niemanden zu kennen. Im Hinterkopf schwang auch die Sorge mit, keinerlei Zweideutigkeiten aufkommen zu lassen. Den Ausschlag für meine Zusage gab schliesslich, dass er mir sagte, es kämen drei weitere Personen mit uns. Die drei Personen entpuppten sich als russischstämmige jüdische Israelis, Familie der Braut, die wild-laute arabische Party als ein gemütliches Zusammensein einer ganzen Bande junger Russen, salonfähig und jugendfrei in jeder Hinsicht.
Honi soit qui mal y pense.

Moshe und Mohammed

"For one magical moment it seemed like a dream had come true. One state, one park for all its citizens. On the beaches of Jaffa and south Tel Aviv over the past few days one could see masses of Palestinians from the territories who had received permits to celebrate at the forbidden sea; and in Yarkon Park, Moshe, Grisha and Mohammed grilled the same shish-kebab. The music was also mixed – Israeli Mizrahi, Russian and Arab with touches of Hare Krishna from a procession of passing adherents. Quite a few Arabs were listening to Eyal Golan. Multiculturalism. In the park of all its citizens, there seemed to be an Arab majority, perhaps half and half. The “demographic danger,” in all its horror, the Zionist dream cut short for a moment. And yet nothing happened. Moshe, Grisha and Mohammed barbecued and all was well with everyone."
Gideon Levy kommentiert für Haaretz (11. August) die sommernächtliche Multikulti-Atmosphäre im Land

Samstag, 10. August 2013

Zeitzeuge

Er entspricht so gar nicht dem Klischee des Anhalters, der alte Mann, der gebeugt und etwas zittrig Strassenrand steht. Vielleicht ist es seine Verletzlichkeit, die mich anhalten lässt, obwohl ich allein und in einem fremden Auto unterwegs bin. Nicht, wohin ich fahre oder wohin er möchte, sind seine ersten Sätze. "Sprichst Du auch Englisch?", vorgetragen mit einem kindlich-ungeduldigen Stolz. Ich antworte auf Arabisch und biete ihm den Platz auf dem Beifahrersitz. Noch immer kein Wort zum (gewünschten) Fahrtziel. "Ich habe Englisch in der Schule gelernt, damals vor 80 Jahren." Ich setze meinen Weg talwärts fort, Widerstand bleibt aus. "Schätz mal, wie alt ich bin?" 88, die Antwort gibt er sich selber. "Wir haben viel Englisch gesprochen, damals. Mit den Engländern." An einer Kreuzung bittet er mich zu halten. "Heute fahren keine Busse, wegen dem Eid, und ich musste doch noch Batterien kaufen." Ich hätte ihm gern noch etwas länger zugehört.

Freitag, 2. August 2013

Iftar

Es herrscht gespannte Eile in den letzten Minuten vor Sonnenuntergang. Alle wuseln durch das Haus, um noch rasch ein bisschen mehr Essen auf den Tisch zu tragen (als gäbe es nicht schon genug!), Gläser mit Tamarindensaft zu füllen, Datteln parat zu legen. Noch bevor der erlösende Muezzinruf kommt, sitzen alle am Tisch - lang sind die Fastentage in diesem Ramadan, der mitten auf die längsten Sommertage fällt. Gegessen wird beinahe hastig und ungewöhnlich still. "Ich erkläre Dir alles, was Du willst", lautet die Antwort auf meine Frage zu Bräuchen im Ramadan, "nach dem Essen". 
Mit der ersten Sättigung löst sich die Spannung und es wird heiter. Jetzt werden Fragen beantwortet - und noch mehr Fragen gestellt. "Verheiratet? Kinder? Muslimin?" Erst wenn alle biographischen Eckdaten geklärt sind, kann das Gespräch seinen eigentlichen Lauf nehmen, nämlich über Gott und die Welt ...

Donnerstag, 25. Juli 2013

Sufi-Tradition

Musik zum Iftar (Fastenbrechen im Ramadan)

Dienstag, 23. Juli 2013

Stoffgeschichten

"Kannst Du uns zeigen, wie man den Hijab richtig anlegt?" Die Frage kommt von einer Gruppe katholischer Studentinnen und ist von aufrichtiger Neugier. Die Gefragte lässt sich nicht zweimal bitten, entschwindet, nur um kurz darauf mit Massen an Stoff in allen Farben und Mustern zurückzukehren. Nach und nach verwandeln sich die jungen Damen, wer anfänglich zögerte, liess sich rasch anstecken, mit verblüffendem Resultat. Für die meisten Aussenstehenden wäre es wohl schwierig geworden, zwischen "Original" und "Verkleidung"zu unterscheiden. Ebenso angenehm ohne Berührungsängste begegnen sich die verschleierten Damen im anschliessenden Gespräch. Keine Frage, scheint es, ist zu heiss, keine Antwort zu unbesonnen, um die soeben geknüpften Kontakte zu stören.

Montag, 22. Juli 2013

Weisse und schwarze Diktatoren

"Derzeit wird um Syrien gespielt: Amerika spielt gegen Russland, der Iran gegen Saudi-Arabien. Auf dem Schachbrett stehen weiße und schwarze Diktatoren, Freischärler, Ideologen und Medien. Zu den Spielregeln gehört das Belagern, Vertreiben, Vergewaltigen und Ermorden von Wehrlosen. Wer die Partie gewinnen wird, ist weiter offen: Hält sich Assad, dann haben Teheran und Moskau gewonnen; siegen die Rebellen, dann haben jedenfalls die Saudis gewonnen. Siegen unter den Rebellen die Dschihadisten und Al-Kaida-Truppen, dann haben am Ende die westlichen Assad-Gegner in Washington, Paris und London viel mehr verloren als gewonnen."
Tagespost-Korrespondent Stephan Baier, beklagt in einem Beitrag für den "Missio-Blog für bedrängte Christen" (22. Juli) das makabre Spiel um Syrien

Donnerstag, 11. Juli 2013

Seltene Momente

Ein vollbesetztes Kino, bunte Mischung à la Jerusalem. Auf dem Podium: eine jüdische Israelin, die im soeben gezeigten Film "Attack" eine palästinensische Selbstmordattentäterin spielt, an ihrer Seite ihr arabisch-israelischer Filmmann. Dahinter, im Jumbo-Format, der libanesische Regisseur, per Skype aus Beirut zugeschaltet. Der klatschenden Beifall erhält, als er auf die Frage einer jungen Israelin im Publikum erzählt, wie sehr es ihm im Land gefallen habe. Dass Israelis ja auch Menschen sind, mit denen man an einem Tisch sitzen, Kaffeetrinken und Reden kann. Ebenso voll, ebenso bunt derselbe Saal ein paar Tage später. Diesmal auf und vor der Leinwand: der iranische Filmemacher, der sich als Atheist auf die Suche nach dem Geheimnis der Baha'i-Religion macht. Der auf die Bühne tritt mit "I love you all". Der sich die Frage stellt, wie die Macht von Religion dem Frieden dienen könnte. Der eine Ehrung empfängt, nur um diese sogleich weiter zu reichen an einen ruandischen Baha'i, der seine Familie in einem Massaker verlor und der trotzdem an Frieden und Versöhnung glaubt. Seltene Momente, die Gänsehaut aufkommen lassen. Vielleicht gerade deshalb, weil für einen Moment lang greifbar wird, was möglich wäre. Und doch so unmöglich scheint.



Dienstag, 9. Juli 2013

Ökumene, intrakonfessionell

Als Abouna Georges aus Jordanien stellte er sich vor und rauschte in die Sakristei, seine Pilgergruppe schon mal in die Kapelle schickend. Die Messe ist ungewohnt. Weil die verschlossenen Kapellentüren eine ungewohnte Stille in den Rummel der Grabeskirche bringen. Und sie irritiert. Weil Georges aus Jordanien irgendwie vom Protokoll abweicht. Gefühlt, denn trotz einiger Übung sitzt die arabische Messe bei mir noch nicht "hundertprozentig". Vielleicht maronitischer Ritus, oder syrisch-katholisch, denke ich, etwas genervt von mir selbst und dem "römisch-fixierten Automatismus". Eindeutige Indizien für die Einordnung in die richtige Schublade gibt es nicht. Am Ende siegt die Neugier und der Gang zu Abouna Georges aus Jordanien mit Bitte um aufklärende Auskunft. Der wiederum grinst. "Wir sind eigentlich orthodox, aber die liturgischen Bücher hier sind halt lateinisch, da hab ich halt ne Mischform gefeiert." Fast möchte man sagen: Gelebte Ökumene. Nur eben intrakonfessionell.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Abschiede und Bilanzen

Es ist Sommer. Im Expat-Milieu heisst das: Abschiede. Nach ein, zwei, häufiger jedoch drei oder vier Jahren gehen die Kollegen. Zurück in die Heimatredaktion. Oder auch an einen neuen, aufregenden Standort. Das permanente Come-and-Go gehört hier so zum Rhythmus, dass als richtige Zeit für Rückblicke weniger der der okkzidentalen Tradition folgende Neujahrstag erscheint (zumal Sylvester hier allenfalls in der Tel Aviver Partyszene dezent wahrnehmbar wäre) als vielmehr das Sommerloch. Und wenn die Bilanzen dann noch so nett geschrieben sind wie jene des "Radio France"-Kollegen (leicht gekürzt)...


"Je n’ai pas aimé :
  • Les embouteillages monstres à Jérusalem, particulièrement les jours de fêtes religieuses et/ou de visites officielles.
  • Les jours de guerre.
  • La violence de certains propos, et/ou commentaires quand précisément la situation se tend. Et que certains, des deux côtés, n’ont plus la retenue nécessaire et expriment ouvertement racisme et haine de l’autre. Mais tout ceci est déjà oublié car…
J’ai aimé :
  • La Vieille ville de Jérusalem, évidemment. A toute heure du jour et de la nuit, mais encore plus en début de soirée quand elle se vide de ses touristes et pèlerins.
  • Observer ses ruelles depuis le toit-terrasse de l’Austrian Hospice.
  • L’énergie de Tel-Aviv, et encore plus à l’été 2011 avec les manifestants du boulevard Rothschild.
  • Les soirées folles de la jeunesse dorée palestinienne de Ramallah.
  • Aller un soir de Pourim voir les ultra-orthodoxes danser et boire plus que de raison dans une yeshiva de Mea Shearim.
  • Etre au Saint-Sépulcre le jour du Feu Nouveau et mieux comprendre cette ferveur grâce aux explications toujours précises et amusantes de Marie-Armelle Beaulieu (lisez chaque mois Terre Sainte Magazine) !
  • Le thé à la menthe très sucré que les gazaouis vous offrent à la moindre occasion.
  • Le visage radieux de la petite surfeuse de Gaza, quand à l’aube elle sort en mer, au nez (et à la barbe) des autorités islamistes.
  • Observer chaque jour la vitalité de la société israélienne : sa presse, mordante et pro. Ses innovations technologiques (merci au GPS Waze de m’avoir si bien guidé !).
  • Déguster à Hébron un tartare de chameau.
  • A Jérusalem, la petite Ethiopia Street et son église africaine (entre Hanevim et Mea Shearim)
  • La joie indescriptible de la foule réunie place Arafat à Ramallah au moment où Abbas obtient pour la Palestine le statut d’Etat observateur aux Nations-Unies.
  • L’humour à chaque instant des gazaouis. Quand par exemple ils parviennent à se faire livrer des KFC via l’Egypte et les tunnels de contrebande.
  • La messe de minuit à Bethléem. Pendant la cérémonie officielle en l’Eglise Sainte Catherine, se faufiler dans la grotte, désertée sauf par quelques religieuses qui prient en arabe.
  • Traverser les tunnels de contrebande de Gaza, et se retrouver dans le salon d’un égyptien.
  • La qualité des documentaires israéliens sortis ces deux dernières années : The Gatekeepers, The law in these parts, etc…
  • La vallée du Jourdain au printemps, quand un instituteur fait la classe aux gamins bédouins au milieu d’un champ de fleurs.
  • Les chants de pèlerins nigérians un soir à Capharnaüm sur les rives du lac de Tibériade.
  • L’appel du muezzin, quand il répond aux cloches des églises, et aux prières d’une synagogue voisine.
  • Les dîners de Shabbat.
  • Les kibboutz à la frontière nord du Liban, et auprès de ses habitants la sensation de toucher du doigt et de mieux comprendre « l’idéal » qu’a représenté Israël pour plusieurs générations.
  • La ville palestinienne de Taybeh, et sa bière du même nom.
  • Le plaisir enfin (qui malheureusement n’est pas toujours donné aux Israéliens et aux Palestiniens) de passer sans cesse d’une société à l’autre et de traverser en permanence les murs qui séparent ces deux peuples…"

Nur im Plural

"...une ville qui ne peut s'écrire qu'au pluriel..."
Schön gesagt, Herr Kollege!

Dienstag, 2. Juli 2013

Sensationsgier?

Ist er es? Ist er es nicht? Seit Tagen geistert eine mit einem schaurig-anschaulichen Beweisvideo versehene Schreckensnachricht durchs Internet, und das gleich in zahlreichen Variationen. In Syrien seien nahe der umkämpften Stadt Homs drei Christen von fanatischen Islamisten enthauptet worden. Mal handelt es sich bei den dreien um Franziskaner (der Orden dementierte umgehend!), mal um einen orthodoxen Bischof und zwei seiner Geistlichen. Mal handelt es sich um einen Eremiten-Priester namens François Mourad – der wiederum nach Angaben des zuständigen Priesters bereits Tage vor dem Enthauptungsdrama beerdigt wurde. Er war zuvor Opfer der Rebellen geworden, die ihn bei einem Übergriff auf ein Franziskanerkloster mit Schüssen getötet hatten In der Region Idlib. Nicht in Homs. Und auch diese nicht weniger dramatische Episode im blutigen Bruderkrieg Syriens hatte bereits am Tag ihres Bekanntwerdens diverse mediale Traditionstränge. So wird aus dem syrisch-katholischen Eremiten etwa kurzerhand ein Franziskaner, wo er doch in einem Franziskanerkonvent getötet wurde. Dass Franziskanerkustos Pierbattista Pizzaballa wörtlich von einem Pater sprach, der nicht Franziskaner war, spielt eine untergeordnete Rolle.
Allzu freiwillig folgt der Mainstream der Medien der brutalen Nachricht, und beim Parallellesen scheint es, als seien der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Als reichten die realen Horrorgeschichten aus Syrien zur Befriedigung nicht mehr aus. Was ist schon ein erschossener Eremit, dessen Leichnam zusammen mit drei Ordensschwestern als letzter von ehemals 5.000 Christen ein Dorf an der innersyrischen Frontlinie verlässt?

Sonntag, 23. Juni 2013

Gänsehautfeeling


Minutenlanges Warten und Zittern, dann: der Name. Der Bruchteil einer Sekunde, und Palästina explodiert im Freudentaumel. Mohammed Assaf heisst das neue "Arab Idol" – und der neue Nationalheld, der Gaza, die Westbank und die ganze arabische Welt in seinen Bann gezogen hat. Binnen weniger Minuten füllen sich die Strassen in Ramallah mit Autokorsos und Menschenmassen. Ähnliche Szenen in Gaza, Bethlehem, Nazareth. Die Mehrheit auf zwei Beinen ist männlich und stolz. Auf vier Rädern (und sich in teils abenteuerlichsten Posen aus Fenstern und Türen der Blechkisten reckend), mit Fanfahnen oder auch mit Pali-Tuch und –Flagge bewaffnet: Ganze Familien, vom Kleinkind bis zur Grossmama, und von überall skandiert es in orientalisch-ohrenbetäubender Stärke "Assaf. Assaf. Assaaaaaaaaf!" Stimmung wie nach dem Sieg der Nationalmannschaft im WM-Finale.
Mohammed Assaf. Er ist jung, er ist hübsch, unschuldig und hat eine Wahnsinnsstimme. OK. Seine Geschichte ist die von Aschenbrödel. Vom Tellerwäscher-Millionär. Kind einer armen Familie, im Flüchtlingslager Khan Younis im Gazastreifen aufgewachsen und bis vor kurzem unbekannter Sänger auf Hochzeiten in seinem Umfeld. Über x Hindernisse hat er es buchstäblich in letzter Sekunde – als Letzter – zum Vorsingen nach Beirut geschafft, schon unter normalen Umständen kein leichtes Unterfangen. Bis dahin schöne Geschichte. Ein modernes Märchen.
Doch Mohammed Assaf ist mehr. Ohne Titel. Erst recht mit. Er ist eine "Rakete der Liebe und des Friedens, die über die Städte Palästinas fliegt, Jerusalem, Nazareth, Gaza und Ramallah". Sagte Jury-Mitglied Raghreb Alama. Und traf es damit auf den Punkt. Der kleine Junge mit der grossen Stimme ist das einende Symbol und die Identifikationsfigur, nach der sich ein im Innern zerstrittenes und durch die äussere Realität buchstäblich zerrissenes Volk so sehnte, dass es sich in gänsehautprovozierenden Freudenfeiern entlud. Oder, wie es "This week in Palestine" formuliert: Assaf hat die dritte Intifada lanciert. Eine Intifada gegen die Depression, für Hoffnung und Stärke und für den Willen, die Blockaden zu durchbrechen und mit der Welt in Kontakt zu treten.
Klar, dass es jetzt auch andere Interessenten an diesem Sieg gibt. Noch auf der Bühne wurde Mohammed Assaf von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zum "Goodwill-Ambassador" Palästinas ernannt, Diplomatenpass inklusive. Es folgte der Titel als UNRWA-Jugend-Botschafter. Und Hamas-Vertreter, anfangs üperhaupt nicht begeistert von den Ambitionen des jungen Gazawiten, lobten seinen gottesfürchtigen Kniefall nach der erlösenden Nachricht über den Titelgewinn. Der jubelnden Masse ist das egal. Für sie ist Assaf "die goldene Stimme, die Palästinas Stimme ins Universum tragen wird". Sein Sieg ist ihr Sieg, vom jungen Sänger einem Volk gewidmet, dass "seit 60 Jahre unter der Besatzung leidet". Es ist der Grund, "die Keffiyeh hoch" zu halten.