Freitag, 18. Januar 2013

"Krieg zur Poesie gezähmt"

Ob ich für einen Beitrag in einer deutschen Regionalzeitung in wenigen Worten sagen könne, was es heisst, als Journalistin im Orient zu arbeiten – da also, wo ich nun im dritten Jahr sein darf und eigentlich so schnell auch gar nicht weg möchte: Das fragte mich wenige Tage vor Weihnachten ein deutscher Kollege. "Nahostberichterstattung ist für mich der tägliche Balance-Akt zwischen den Narrativen der verschiedenen Gesellschaften. Es ist die Suche nach den Zwischentönen und Graustufen im oft schwarz-weiss dominierten Monolog der jeweiligen Konfliktpartei." Das schrieb ich jenem Kollegen zur Antwort. "Krieg, der zur Poesie gezähmt wurde" - die spontane Reaktion eines Freundes auf meine Worte überrascht mich. Als "Krieg" hatte ich meine Arbeit bislang nicht betrachtet. Auch "Poesie" klingt nach einem grossen Wort bei dem Gedanken an die vielen Routinemeldungen eines normalen Arbeitstages. Doch die Worte des Freundes bleiben haften.
Eine weitere Antwort auf dieselbe Frage für dasselbe deutsche Regionalblatt lautete übrigens: "Nahost-Korrespondent ist, wenn man in den ersten Wochen seine Vorurteile zum arabisch-israelischen Konflikt bestätigt sieht, sie dann in den ersten Monaten über den Haufen wirft, um am Ende des ersten Jahres verwirrter zu sein als man es bei der Ankunft war." Diese manchmal wohl schmerzhafte, manchmal durchaus erheiternde Einsicht eines noch recht "frischen" deutschen Kollegen bin ich geneigt, auch im dritten Jahr noch zu unterschreiben. Und vielleicht liegt gerade hierin die poetische Seite.

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