Mittwoch, 23. Oktober 2013

Warum? Darum!

Was für Gefühle hinterlässt der Besuch von Hebron/Al Khalil bei mir? Macht es mich wütend? Traurig? Hoffnungslos? Sarkastisch? Sicher ist: Es gibt kaum einen zweiten Ort, an dem der palästinensisch-israelische Konflikt, an dem das Dilemma dieses Landes sicht- und spürbarer würden als in der zweigeteilten Stadt, in ihrem alten Kern einer Geisterstadt gleich, mit No-Go-Zonen für den Mehrheitsteil ihrer Bevölkerung.

Wir laufen durch die Strassen von H2 (israelisch kontrolliert) in Richtung H1 (palästinensisch kontrolliert). Kurz vor den Patriarchengräbern, je nach Religionszugehörigkeit als Ibrahimi-Moschee oder Machpela verehrt, versperrt ein grosser Kranwagen den Weg. Eine Reihe von israelischen Soldaten sind dabei, an einer der zahlreichen Absperrungen Verbesserungen vorzunehmen. Mangel an Betonblöcken und Metallbarrieren herrscht jedenfalls nicht in der Stadt, dessen Name sich in beiden Landessprachen vom jeweiligen Wort für "Freund" ableitet.
Wir treffen auf Hatem. Hatems Familie lebt im ersten Stock eines dreistöckigen Hauses nahe der Patriarchengräber. Um Stockwerke Zwei und Drei ist seit 2012 ein erbitterter Kampf zwischen israelischen Siedlern und der palästinensischen Grossfamilie ausgebrochen. Die Siedler geben an, die Etagen legal von einem der zahlreichen durch Erbschaft mitbesitzenden Familienangehörigen erworben zu haben. Die Familie verneint die Rechtmässigkeit des Geschäfts. Solange der Fall nicht endgültig entschieden ist, sind die Zweidrittel des Gebäudes für beide Seiten tabu. Ein Fall, wie wir ihn an diesem Tag wiederholt sehen werden. Und während Hatem und ein entfernter Verwandter uns ihre Version der Geschichte erzählen, kommt ein israelischer Polizeiwagen. Zwei Polizisten nehmen unsere Gruppe unter die Lupe, greifen aber nicht ein.
Bezahlt. Gekauft. Gehört uns - Die Botschaft der israelischen Siedler an ihre palästinensischen Nachbarn könnte klarer nicht sein!

Wir besuchen als nächstes die Schule in unmittelbarer Nachbarschaft des umstrittenen Hauses. Viele der 253 palästinensischen Mädchen müssen über zwei oder mehr Kontrollpunkte, um ihre Schule zu erreichen. An jüdischen Feiertagen, sagen die Lehrerinnen, muss der Unterricht schon mal ausfallen, weil die laute Musik das Unterrichten unmöglich macht. Oder Barrikaden das Schulgebäude versperren. Wir gehen weiter. Bis plötzlich eine Reihe israelische Soldaten uns den Weg versperren und uns unmissverständlich wie unfreundlich des Platzes verweisen. Eine schriftliche Anordnung für die Wegweisung können oder wollen sie uns nicht vorlegen. Unser "Warum?" erntet ein simples "Darum!" Ein israelischer Minister sei auf dem Weg zu seinem Ortsbesuch, erfahren wir dann später.
Ein drittes Mal stoppen uns Sicherheitskräfte an der Passage von H2 nach H1. Die Beobachter des ökumenischen Begleitprogramms "EAPPI" werden - diesmal sehr freundlich - von einem jungen Soldaten aufgefordert, ihre Westen auszuziehen, bevor sie den Korridor ins palästinensische Stadtgebiet betreten. Er beantwortet höflich alle Fragen, und auch wenn auch er kein Dokument vorlegen kann, dass das Westenverbot im Korridor begründete oder auch nur belegen könnte, meine ich, eine Spur von Bedauern in seiner Kommunikation zu spüren. Am Ende doch etwas Menschliches in diesem verhärteten Spiel?

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