Sonntag, 13. Dezember 2015

Von Juden und Messern, Glauben und Fanatismus


Mein geliebter Enkel,
Frohe Hanukkah. 

* Von Avraham Burg

Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen, über Hanukkah und warum wir es feiern. Es ist eine Geschichte über Juden, Messer, religiösen Glauben und guten Fanatismus. 
Vor vielen Jahren waren Besatzer hier in diesem Land. Wir hatten viele Besatzer, aber an diese erinnern wir uns besonders. Sie hatten nicht einen einzigen Gott wie wir, und keine Rabbiner, die ihnen sagten, was erlaubt und was eine Todsünde ist. Sie waren irgendwie frei. Anfangs haben sie uns nicht davon abgehalten, den Glauben unserer Väter fortzuführen, und wir haben uns nicht an ihren merkwürdigen religiösen Riten gestört. Sie assen und opferten sogar weisses Fleisch. Schwein, weisst Du. Zu einem Opfer kann man nicht "igitt" sagen, mein Liebling, aber es war beinahe "igitt". Obschon sie an Philosophie glaubten, an die Liebe der Weisheit. Sie verehrten viele Götter, sie waren wahrhaft pluralistisch, bewahre Gott. Sie wussten viel über Lehren aus der ganzen Welt und sie verfügten über eine heimtükische Toleranz. Sie nannten es Hellenismus. Stell Dir vor: Ein Volk, das nichts gegenüber fanatisch ist. Ein Volk, das nicht willens ist für die Heiligung Gottes getötet zu werden. Eigenartig, nicht wahr?

Später hatten sie Schwierigkeiten. Ihre Könige, echte Brüder, vergossen einer das Blut des anderen – wie immer bei den Heiden. Am Ende brachten all diese Kriege sie in den Ruin. Also begannen sie, allerlei Heiligtümer auszurauben, so auch unseren geliebten Tempel. Es ist ok, wir litten still, denn es war nur Geld. Eines Tages beschloss einer von ihnen, dass er unsere Unabhängigkeit auf dem Tempelberg nicht mag, in unserem eigenen, privaten Tempel, und er entschied, den Status Quo zu verändern. Weisst Du, das ist Zustand, in dem jeder das tut, was er regelmässig tut. Sie wollten die Herrscher unsres Tempels sein, mit ihren Göttern und ihren Symbolen und ihren Opfern. Ich verstehe nicht, warum sie nicht sensibler waren. Ich meine, im Gegensatz zu ihnen hatten wir keinen Staat. Wir hatten keine Armee und kein eigenes Regime. Nur im Haus Gottes, unserem spirituellen Zentrum, fühlten wir uns zuhause. Es war das Ziel unser Pilgerreise an den Feiertagen. Hier beteten wir, erbrachten unsere Opfer und waren vereint. Plötzlich kamen sie und wollten uns das wenige nehmen, was wir hatten, wegen ihrer politischen Probleme, nicht unserer. Wir waren sehr wütend.

Ich muss Dir erklären, wer "wir" sind. Wir waren damals eine völlig gespaltene Gesellschaft. Arme und Reiche waren abgesondert, das Zentrum und die Dörfer waren getrennt. Nur der Glaube brachte uns zusammen und machte uns einzigartig. Der Tempel war das Zentrum all dieser Krümel. Und dann waren da diese schrecklichen Griechen, die Besatzer. Sie erklärten uns einen Religionskrieg. Sie waren entschlossen, uns zu hellenisieren und so viele ihrer Symbole wie nur möglich in unseren Tempel zu bringen. Sie verunstalteten unsere Sprache und errichteten Strassensperren auf Strassen, die allein unsere waren. Sie kamen in unsere Dörfer, unsere Familien und unsere Seelen. Ich glaube, sie waren überzeugt davon, dass es so etwas wie das Jüdische Volk nicht gibt. Und als wenn das nicht gereicht hätte, kultivierten sie all diese Hellenisten aus unserem Volk. Diese Hellenisten sprachen Griechisch, sie trieben Sport, liebten das Theater, gingen ins Ausland und trugen schöne Kleider, so wie die Griechen. Die Griechen versuchten, unser Leben durch diese VIP’s zu kontrollieren. All jene neuen, arroganten Aristokraten hatten ein gutes Netzwerk und man kümmerte sich gut um sie. Sie reisten von Ort zu Ort, frei und ohne Hindernisse. Sie hatten Geld für die schönen Seiten des Lebens. Nur wir, die Armen und Unsichtbaren, das traditionelle Volk, zahlte den Preis.

Schliesslich haben wir es nicht mehr ertragen. Genug! Wir hatten es satt! Arm zu sein und all die Steuern zu zahlen und den Preis und den Tempelberg zu verlieren. Es war einfach zu viel. Also haben wir uns aufgelehnt. Ein Mann, Matityahu HaCohen, der Hasmonäer, wurde zum Nationalhelden. Ohne Zögern erstach er den führenden griechischen Offizier in Modi'in, und mit ihm ein paar Arschkriecher um ihn herum. Nach diesem gezieltem Töten des Besatzers und seiner verachtenswerten Kollaborateure geriet das Messerzücken für viele Jahre ausser Kontrolle im Land.

Die Nachkommen von Matityahu errichteten uns ein Königtum. Es war eine Art Jüdische Autorität, die für viele Jahre hier herrschte. Weisst Du, was das komische daran ist? Weisst Du, woran es scheiterte und fiel? An der Messerklinge, an den jüdischen Messermännern – den fanatischen politischen Mördern, die das Erbe Matityahus und seiner Söhne lebendig erhielten. Die Griechen waren fort damals. Es gab andere Besatzer – die Römer. „Sika“ in ihrer Sprache ist ein langes, geschwungenes Messer, wie die „Shabria“ der Araber, und mit ihm erstachen sie jeden, der ihnen nicht passte. Sie waren religiöse Fanatiker wie der gute alte HaCohen von Modi’in und stachen und töteten, bis die Stadt zerstört war. 
Aber das ist eine andere Geschichte für ein anderes Fest. Was ich Dir erzählen wollte: Messerstechereien sind Teil unsere Erbes und unsrer wertvollen Erinnerungen. 

Frohe Hanukkah.

(Aus dem Hebräischen übersetzt von Helya Bar-Mag und Andrea Krogmann. Mit freundlicher Genehmigung des Autors)

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